Lohngleichheit (noch) Wunschdenken

446868_1_Petra_2

Petra Eichele ist Gewerkschafterin beim Liechtensteinischen Arbeitnehmerinnenverband (LANV) und wohnt mit ihrer Familie in Schaan. Kontakt: p.eichele@lanv.li

Das Lohnmobil, eine Wanderausstellung zum Thema Lohngleichheit von Frauen und Männern, macht vom 14. bis 21. August Halt in Vaduz. Dass Lohnungleichheit auch hierzulande durchaus noch ein Thema ist, erklärt LANV-Gewerkschafterin Petra Eichele.

Liewo-Interview als PDF herunterladen

Frau Eichele, bei der Wanderausstellung Lohnmobil geht es um Lohngleichheit: Ist das auch in Liechtenstein ein Thema?
Petra Eichele: Die Lohngleichheit ist auch in Liechtenstein ein grosses Thema. Der LANV (Liechtensteinischer ArbeitnehmerInnenverband) sowie das Frauennetz haben in den letzten Jahren vermehrt darauf aufmerksam gemacht. Wir haben in den letzten vier Jahren den «Equal Pay Day» in den Fokus gerückt, dieser findet alljährlich Anfang März statt. Dieses Jahr mussten die Frauen bis zum 9. März arbeiten, um gleich viel Lohn im Portemonnaie zu haben wie die Männer am 31. Dezember 2014.

In der Schweiz verdienen die Frauen bei gleicher Erfahrung und gleicher Arbeit im Durchschnitt einen Fünftel weniger als ihre männlichen Kollegen. Ist das vergleichbar mit der Situation in Liechtenstein?
Ja, die Situation ist vergleichbar: in Liechtenstein beträgt der Lohnunterschied 17,2 Prozent. Jeder berufstätigen Frau entgehen dadurch 1’181 Franken monatlich, im Jahr sind das 14’172 Franken! Dies wirkt sich folglich im Alter nochmals negativ aus, mit tieferen Renten. Das ist Geld, das den Familien fehlt. Frauen verdienen nicht weniger, weil sie weniger leisten, sondern weil sie für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden. Nur ein Teil des Lohnunterschiedes kann objektiv erklärt werden (z. B. weniger Berufserfahrung, Teilzeitarbeit). Der Rest ist nicht erklärbar und somit diskriminierend.

Die Lohnunterschiede werden in der Schweiz wieder grösser anstatt kleiner. Ist das auch in Liechtenstein der Fall und woran könnte das liegen?
Im Zeitraum von 2010 bis 2012 hat sich die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern um 0,6 Prozentpunkte verringert. Die Frauenlöhne sind etwas gestiegen. Ob sich dieser positive Trend fortsetzt, werden wir erst nächstes Jahr sehen, wenn die neuen Zahlen vorliegen. Als Gewerkschafterin kann ich jedoch bestätigen, dass der Druck auf die Löhne in den letzten Jahren gestiegen ist, und zwar für beide Geschlechter.

In welchen Branchen sind Lohnungleichheiten besonders ausgeprägt?
Die grössten Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern finden sich in den Branchen Rechts- und Steuerberatung sowie Wirtschaftsprüfung, Finanz- und Versicherungdienstleistungen, im Gesundheitswesen und in der öffentlichen Verwaltung.

Liegt diese Lohnungleichheit auch ein wenig an den Frauen selber? Verschiedene Expertinnen rufen Frauen dazu auf, bei Lohnverhandlungen selbst- bewusster aufzutreten. Denn es sei so, dass Frauen weniger für ihre Dienste verlangen als Männer. Was müssen berufstätige Frauen tun, um gleich viel wie ihre männlichen Mitstreiter zu verdienen?
Ein im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP60 durchgeführtes Projekt hat untersucht, dass bei Frauen bereits ein bis zwei Jahre nach Abschluss der Erstausbildung und nach Aufnahme einer ersten Erwerbstätigkeit unerklärbare Lohnunterschiede von ganzen 7 Prozent  zu beobachten sind. Das sind etwa 300 Franken pro Monat. 278 Franken davon lassen sich nicht erklären. Und an Selbstbewusstsein fehlt es sicher nicht bei den jungen Frauen, die heute sehr gut ausgebildet sind, wenn nicht sogar besser als ihre männlichen Kollegen.

Ein selbstbewusstes Auftreten ist sicher vonnöten. Noch wichtiger ist es, gut vorbereitet in das Lohngespräch zu gehen, zum Beispiel den orts- und branchenüblichen Lohn zu kennen und zu wissen, wo sich die Arbeitnehmerin informieren kann. Der LANV veröffentlicht anlässlich des Lohnmobils den Leitfaden «Hilfreiche Tipps für einen fairen Lohn». Das Lohnmobil macht ab kommenden Freitag in Vaduz Halt: Im Rahmenprogramm können Frauen lernen, sich in einer Lohnverhandlung korrekt zu verhalten. 

Was bietet das Rahmenprogramm ausserdem an?
Der Liechtensteinische ArbeitnehmerInnenverband bietet am Dienstag, 18. August, von 14 bis 18 Uhr, und am Freitag, 21. August, von 10 bis 14 Uhr, im Lohnmobil Kurzberatungen für junge Frauen zum Thema Lohn an. Wir hoffen, dass uns viele junge Frauen besuchen und wir sie in das Thema einführen und Fragen zum Lohn und zum Lohngespräch beantworten können. Am Staats­feiertag ist das Frauennetz mit der «Lohnbar» beim Lohnmobil vor Ort. Wir stossen auf die Lohn- und Chancengleichheit von Frau und Mann an.  Am Montag, 17. August, um 16 Uhr, eröffnet Regierungsrat Mauro Pedrazzini die Wanderausstellung «Lohnmobil» auf dem Peter-Kaiser-Platz.

Das Thema Lohngleichheit wird auch nach dem Sommer noch Thema sein. Gibt es weitere Veranstaltungen?
Die Infra bietet am 14. und 28. September ein Seminar unter dem Titel «Lohngespräche – mit Selbstvertrauen auftreten und verhandeln» an.  Am 17. November findet das Impulsreferat «Löhne haben kein Geschlecht – oder doch?» statt, das durch die Stabsstelle für Chancengleichheit organisiert wird. Im Anschluss an das Referat findet die Gesprächsrunde mit den Frauen-Landtagsabgeordneten zum Thema statt.

Wie stehen Sie persönlich zum Thema Lohngleichheit?
Dass junge Frauen schon beim Berufseinstieg weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen, macht mich sehr betroffen, vor allem auch als Mutter einer Tochter, die gerade ihren Master im Ausland absolviert. Die jungen Frauen von heute sind besser ausgebildet als ihre männlichen Kollegen und haben dennoch schon beim Berufseintritt mit der Lohnungleichheit zu kämpfen. Wir vom LANV sowie vom Frauennetz setzen alles daran, dass sich dies ändert!

Quelle: Jessica Nigg, Liewo

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert