Öl und Benzin, aber auch andere Rohstoffe verbilligen sich derzeit stark. Der Grund dafür ist wenig erfreulich und sollte bei Verbrauchern und Sparern tiefe Besorgnis auslösen. Vor allem in Deutschland.
Diesel-Fahrer freuen sich schon seit Wochen. Und nun greift diese Freude auch auf Besitzer von Autos mit Benzinmotor über. Denn die Preise sinken auf breiter Front. Benzin kostet im Schnitt derzeit wieder weniger als 1,40 Euro je Liter, Diesel sogar unter 1,15 Euro.
Dieser Abwärtstrend dürfte sogar noch eine ganze Weile anhalten, und nicht nur bei den Energiepreisen. Denn der gesamte Rohstoffkomplex befindet sich im freien Fall. Doch was bei Autofahrern für Erleichterung sorgt, hat besorgniserregende Ursachen. Die Preise sinken, weil die globale Wirtschaft wieder auf Krisenmodus schaltet. Vor allem deutsche Firmen und deutsche Arbeitnehmer werden das zu spüren bekommen.
Preise wie zu den schlimmsten Zeiten der Finanzkrise
Abzulesen ist der Absturz der Rohstoffpreise beispielsweise am Thomson Reuters Commodity Index. Er misst die Preisentwicklung von 19 Rohstoffen: Erdöl, Kupfer und Aluminium, aber auch Weizen und Sojabohnen. Zuletzt fiel dieser Index sogar unter den Tiefpunkt, den er im Frühjahr 2009 erreicht hatte, während der schlimmsten Phase des Rohstoff-Crashs, damals inmitten der Finanzkrise.
Der Ölpreis steht noch über dem damaligen Tiefpunkt, doch auch er ist auf dem besten Weg dorthin. Die amerikanische Ölsorte WTI kostet derzeit nur noch rund 42 Dollar je Barrel (159 Liter), 2009 war der Preis kurzzeitig auf bis zu 34 Dollar gesunken. Die Nordseesorte Brent ist noch etwas teurer, doch auch ihr Preis liegt mit 49 Dollar wieder fast auf Jahrestief.
«Das ist einfach das Spiel von Angebot und Nachfrage», sagt Erik Nielsen, Chefvolkswirt der Unicredit. Denn das Angebot auf dem Ölmarkt steigt seit Jahren stetig. Zunächst durch das Fracking, das in den USA zu einem neuen Ölboom geführt hat. Und neuerdings auch durch den Atomvertrag mit dem Iran, der zur Folge hat, dass die Sanktionen gegen das Land nach und nach aufgehoben werden.
Die Weltbank hat erst vor wenigen Tagen in einer Szenarioanalyse ausgerechnet, dass allein dadurch der Ölpreis im kommenden Jahr im Schnitt um zehn Dollar niedriger liegen wird als bisher erwartet.
Ölpreis könnte unter 40 Dollar je Barrel fallen
Gleichzeitig jedoch stagniert die Nachfrage, trotz eines passablen globalen Wirtschaftswachstums. Die Dynamik ist jedoch anders verteilt als früher. «Das Wachstum verschiebt sich, hin zu den energieeffizienten OECD-Staaten und weg von den relativ ineffizienten Schwellenländern», sagt Nielsen. «Ich wäre daher nicht überrascht, wenn der Preis für Brent-Öl unter 40 Dollar je Barrel fällt.»
Rohstoffpreise: Ölmarkt bleibt angeschlagen
So ist es nur folgerichtig, dass auch die Preise für Zink seit Jahresbeginn um 15 Prozent zurückgegangen sind, bei Kupfer sind es sogar 20 und bei Nickel knapp 30 Prozent. Tendenz: weiter sinkend.
Zwar wächst die chinesische Wirtschaft nach offiziellen Angaben immer noch um sieben Prozent pro Jahr. Doch zum einen zweifeln inzwischen immer mehr Beobachter diese Zahl an. Zum anderen, und dies ist entscheidend, hat sich die Struktur des Wachstums drastisch verändert.
Abwertung des Yuan zeigt, wie schlecht es um China steht
Traditionell wuchs China vor allem im Industriesektor und durch Investitionen in die Infrastruktur. Dafür waren jede Menge Rohstoffe nötig. Inzwischen jedoch wird der größte Teil des Wachstums vom Dienstleistungssektor und vom Finanzsektor generiert. Dies geht praktisch komplett ohne Erze oder Energieträger.
Börsen-Experte: Ausblick auf die Woche nach der Yuan-Abwertung
Die Abwertung des Yuan in der vergangenen Woche wirkte vor diesem Hintergrund wie ein weiterer Schlag. Denn der Schritt zeigt, dass Peking in großer Sorge um die Wirtschaft des Landes ist. Offenbar, so die Befürchtung, steht es um die Konjunktur im Reich der Mitte doch schlechter, als die Politiker dort bisher zuzugeben bereit waren. Folglich fielen die Rohstoffpreise parallel mit dem Yuan noch weiter.
Ein schwächeres Wachstum in China trifft jedoch kaum ein Land so stark wie Deutschland. Der Wert der Exporte in das Reich der Mitte war seit 2005 um über 250 Prozent gestiegen und betrug im vergangenen Jahr rund 74,5 Milliarden Euro. Damit rangiert die Volksrepublik inzwischen auf Platz vier der wichtigsten deutschen Exportmärkte, hinter den USA, Frankreich und Großbritannien.
Doch gleichzeitig kaufen auch die Rohstoffproduzenten besonders gerne in Deutschland ein. So gingen 2014 Waren im Wert von 75 Milliarden Euro nach Russland, Brasilien, Südafrika, Saudi-Arabien, Australien sowie in die Vereinigten Arabischen Emirate.
Letzte Hoffnung: Noch länger billiges Geld aus den USA
All diese Länder sind nun in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Der brasilianische Real hat beispielsweise seit Anfang des Jahres rund ein Fünftel seines Wertes gegenüber dem Euro verloren. Der Rubel hatte schon im vergangenen Jahr seine Talfahrt begonnen. Damit haben all diese Länder nun weniger Geld, um in Deutschland einzukaufen.
Und diese Währungen dürften noch weiter unter Druck geraten, wenn die amerikanische Notenbank – wie von vielen erwartet – im September tatsächlich erstmals seit 2007 wieder die Zinsen anheben wird. Dann dürfte sich der Kapitalabfluss aus den Schwellenländern verstärken.
Allerdings wachsen inzwischen die Zweifel, dass es wirklich zu dieser Zinserhöhung kommt. «Nach der Abwertung des Yuan ist die Wahrscheinlichkeit dafür wieder gesunken», sagt Aneta Markowska von der Investmentbank Société Générale. Denn diese Maßnahme bewirkt, dass die Importpreise für Güter aus China sinken und gleichzeitig auch, wie beschrieben, die Preise für Rohstoffe.
Kurz: Deflationsängste könnten wieder zunehmen, die Zinsen damit noch länger bei null bleiben als ohnehin vorgesehen. Keine gute Nachricht für Sparer, selbst wenn die meisten von ihnen auch Autofahrer sein dürften.
Quelle: Frank Stocker (Finanz-Redakteur) WeltN24 GmbH