Verlagerungen und Eurolöhne: Industriestandort, quo vadis?

Liechtensteins Parteien äussern sich zu den Zukunftsaussichten des Industriestandortes im Zeichen der aktuellen Herausforderungen.

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Foto: Daniel Schwendener

Die Entwicklungen sind alarmierend: Viele Industriebetriebe entscheiden sich, ihre Produktionsstätten ins Ausland zu verlagern, wo die Produktionsbedingungen billiger sind. Einzelne stellen bei der Auszahlung der Löhne auf den Euroraum um. Die «Liewo» wollte von den Landtagsparteien wissen, wie man dieser Entwicklung von der Politik her begegnen soll, um das beste für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu erreichen. Dabei sehen die Lösungsansätze verschieden aus, obwohl alle wohl dasselbe Ziel haben: faire Bedingungen für alle Beteiligten.Von der Stärkung des Standorts durch Senkung der Lohnkosten über die Stärkung der Arbeitnehmerrechte mit verstärkten Instrumenten der gewerkschaftlichen Tätigkeiten bis hin zur besseren Nutzung von Innovationspotenzial zeigen die vier Landtagsfraktionen ihre Wege auf, um dem Arbeitsplatzabbau entgegenzuwirken.

«Arbeitsplätze erhalten»
Wohin sich unser Industriestandort entwickelt, ist naturgemäss keine rein liechtensteinische Fragestellung. Internationale Entwicklungen müssen ebenfalls in die Betrachtung mit einbezogen werden. Fakt ist, dass Liechtenstein im globalen Vergleich eher hohe Lohnkosten über sämtliche Gehaltsstufen hat. Für Unternehmungen, welche ihre Dienste nur im Inland oder regional anbieten, mag diese Tatsache geringer spürbar sein, sind deren Kunden doch in der Regel ebenfalls regionale Lohnempfänger. Die Nähe zum EU-Raum ist aber natürlich auch für kleine Firmen mit Herausforderungen behaftet. Für international tätige Unternehmungen ergeben sich aber durch die hohen Produktions- bzw. Lohnkosten ganz andere, noch grössere Herausforderungen. Für Qualität nehmen Kunden weltweit einen höheren Preis in Kauf. Aber auch die Konkurrenz schläft nicht und bringt mit tieferen Produktionskosten qualitativ hochwertige Produkte auf den Markt. Meiner Ansicht nach wird Liechtenstein auch weiterhin eine Rolle für die hier ansässigen Industrieunternehmungen spielen. Welche Rolle dies konkret sein wird und welche Art von Arbeitsplätzen seitens der Wirtschaft angeboten werden (können), wird uns die Zukunft weisen. Sicher ist: Nur wenn Liechtenstein als Standort mit seinen Rahmenbedingungen attraktiv bleibt, werden Arbeitsplätze erhalten und sogar neue geschaffen.
Thomas Banzer, Präsident der FBP

«Potenziale erschliessen»
Auf lange Sicht ist es in der Geschichte noch nie gut gekommen, wenn marktwirtschaftliche Entwicklungen durch staatliche Interventionen gebremst bzw. gestört wurden. Der Staat ist für gute Rahmenbedingungen zuständig. Er hat aber auch die Aufgabe, Auswüchse zu verhindern bzw. die Arbeitnehmerschaft, die Umwelt und den Rechtsstaat zu schützen. Der Staat kann möglicherweise drastisch hereinbrechende Strukturveränderungen in dem Sinne «begleiten», dass Härtefälle abgefedert werden. Er kann z. B. versuchen, darauf hinzuwirken, dass einArbeitsplatzabbau entschleunigt und unter Einhaltung eines Sozialplans erfolgt (z. B. mit Kurzarbeitsentschädigungen). Aber verhindern kann er ihn nicht. Dass sich der Industriestandort und allgemein derWerkplatz laufend wandelt, ist Fakt und gehört zur natürlichen (Weiter-)Entwicklung. Die Frage ist, wie man damit umgeht bzw. was u. a. die Politik für die Zukunft daraus im Positiven ableiten und bewirken kann. Auf die damals .orierende Textilindustrie folgte die Maschinenindustrie, die Finanzindustrie und Hightech-Industrie. Liechtenstein muss die neuesten Entwicklungen laufend genau beobachten und versuchen, zukunftsträchtige Potenziale zu erschliessen. Die von Wirtschaftsminister Thomas Zwiefelhofer neu angedachte, verschlankte Form der GmbH könnte ein kleiner Baustein dazu sein, Innovationspotenzial zu fördern.
Jakob Büchel, Präsident der VU

«Nicht wegsehen!»
Industrieangestellte mit niedrigen Löhnen werden vom Staat mit Mietbeihilfen und weiteren Subventionen unterstützt. Der Staat, also wir alle, fördern damit indirekt solche Industrieunternehmen. Auch wenn die Umstellung mancher Unternehmen auf Eurolöhne heute legal ist, darf die Politik nicht wegsehen. Diese Menschen müssen unverschuldet zusätzliche Lohneinbussen hinnehmen. Für die Differenz muss der Steuerzahler aufkommen. Diese Lohnempfänger, die oft nur niedrige Quali.kationen haben, müssen den Eurolohn akzeptieren, sonst droht Kündigung. Solche Firmen hatten oft ein sattes Wachstum und gute Gewinne, von denen Angestellte kaum pro.tierten. Unternehmerische Risiken wie der starke Franken werden aber auf dieAngestellten abgewälzt. Dieser unfaire Neoliberalismus, von dem einige wenige Unternehmer pro.tieren, schadet dem Staat, dem Steuerzahler und der Gesellschaft. Der Staat springt zu Recht bei schlechterWirtschaftslage für Unternehmen ein und beteiligt sich an Lohnzahlungen bei Kurzarbeit. Da wünschen sich Unternehmen – gar nicht neoliberal – ein staatliches Eingreifen. Es kann nicht sein, dass der Staat Unternehmen stützt, wenn diese es fordern, er aber bei unsozialen Geschäftsgebaren beide Augen zudrückt. Die Politik muss den Hebel endlich bei den gewerkschaftlichen Arbeitnehmerrechten ansetzen, sodass diese Menschen fairer bezahlt werden.
Thomas Lageder, Landtagsabgeordneter der Freien Liste (FL)

«Länger arbeiten bei gleichem Lohn»
Viele Firmen haben schon vor Jahrzehnten Tochtergesellschaften in fernen Ländern gegründet oder Liechtenstein ganz verlassen. Meist war die gleiche Begründung wie heute zu hören: Die Arbeitskräfte seien zu teuer. Das ist nichts Neues. Seit etwa fünf Jahren werden von einzelnen Firmen Löhne in Euro angeboten. Lohnempfänger aus FL und CH sind im eigenen Land dem Währungsrisiko ausgesetzt. Das ist ungut.

In diesem Jahr machten einige Firmen Lohnkürzungen. Verlierer sind Liechtensteiner und Schweizer. Arbeitnehmern aus dem Euroraum verbleibt trotz Lohnkürzung wegen der Franken-Aufwertung im Januar immer noch eine «Lohnaufbesserung».

Seit 2007 profitierten EU-Arbeitnehmer wechselkursbedingt im Verhältnis 1.07 zu 1.65, umgekehrt verloren die Firmen bei Exporten in den EU-Raum Einnahmen im Verhältnis 1.65 zu 1.07.

Wohin geht die Reise? Liechtenstein überlebte schon weit schwierigere Zeiten. Rationalisieren und automatisieren, wieder länger arbeiten bei gleichem Lohn und, wenn es sein muss, den Lebensstandard etwas zurücknehmen. Wohin darf die Reise nicht gehen? Durch eine Überschuldung des Staates in Richtung Griechenland.
Herbert Elkuch, Landtagsabgeordneter der Unabhängigen (DU)

Quelle: Michael Winkler, Liewo

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